Rohkost Richtungen
Die Rohkost ist so vielfältig wie ihre Anhänger. Es gibt nicht „die eine“ Richtung. Vielmehr haben sich im Laufe der Zeit ganz unterschiedliche Schulen herausgebildet.
Urkost nach Franz Konz
Die Urkost ist eine von Franz Konz begründete Ernährungslehre, bei der heimische Wildpflanzen im Fokus stehen. Blätter, Beeren und Früchte werden roh und in ihrem natürlich Zustand gegessen. Vor dem Verzehr werden die Lebensmittel nicht abgewaschen. Daher landen bei dieser eigentlich veganen Ernährungsweise vereinzelt auch kleine Insekten oder Würmer im Magen.
Franz Konz war einer der ersten, die die Bedeutung von chlorophyllhaltigen Lebensmitteln in der Rohkosternährung erkannt und propagiert haben. 1996 veröffentlichte er seinen knapp 1500 Seiten starken Ernährungsratgeber „Der Große Gesundheits-Konz“, in dem er seine Urkost-Lehre vermittelt.
Zum Konzept der Urkost-Schule gehört auch die Ansicht, dass eine zusätzliche Aufnahme von Flüssigkeit überflüssig ist. Wer sich gemäß seiner Vorgaben urköstlich ernährt, nimmt laut Konz über die Nahrung genügend Flüssigkeit auf und muss nicht trinken.
Sonnenkost nach Helmut Wandmaker
Die Sonnenkost ist ein veganes Ernährungskonzept. Frisches Obst gilt als Lebensmittel erster Klasse und macht den größten Teil der Ernährung aus. Gemüse gehört nur in geringen Mengen auf den Speiseplan, ebenso Nüsse. Wildkräuter sind gänzlich gestrichen.
Die Grundidee hinter der Sonnenkost ist, dass der Mensch nur beim Verzehr von Obst nicht in die Natur eingreift. Tiere werden für ihr Fleisch getötet, Gemüse muss nach der Ernte neu angepflanzt werden. Obstbaum und Beerenstrauch hingegen tragen nach der Ernte wieder Früchte.
Helmut Wandmaker, der Begründer der Sonnenkost, bezeichnet Obst als das „Fastfood“ der Natur. Der Körper benötigt bei hauptsächlicher Obstkost bedeutend weniger Zeit für die Verdauung und kann sich schneller wieder um sich selbst kümmern.
Als Getränk empfiehlt die Sonnenkost-Lehre destilliertes Wasser. Das Konzept beinhaltet zudem, sich viel an der frischen Luft und in der Sonne aufzuhalten und seinen Körper mit ausreichender Bewegung zusätzlich zu stärken.
Evers-Diät nach Dr. Joseph Evers
Die Evers-Diät ist eine hauptsächlich rohköstliche Ernährungsform, die vom deutschen Arzt Dr. Joseph Evers begründet wurde. Der Grundgedanke dahinter ist, dass die industriell immer stärker verarbeiteten Nahrungsmittel viele Zivilisationskrankheiten auslösen.
Generell gilt es, möglichst auf rohe, naturbelasse Lebensmittel zurückzugreifen. Dazu zählen Obst, Gemüse, Vollgetreide, Früchte und Wurzeln. Erlaubt sind außerdem Vollkornbrot und Rohmilchbutter.
Zusätzlich können rohes oder leicht angebratenes Fleisch, roher Fisch, roher Schinken, Nüsse sowie Sprossen gegessen werden. Getrunken wird Wasser. Kartoffeln und rohes Blattgemüse sind tabu.
Das Konzept der Evers-Diät beinhaltet außerdem eine gesunde Lebensweise. Zur gesunden Ernährung gehört auch ausreichend Bewegung an der frischen Luft. Zudem werden Kneipp-Anwendungen empfohlen.
Primal Diet nach Aajonus Vonderplanitz
Die Primal Diet ist eine Form der Rohkost-Ernährung, die zu den paläolithischen Ernährungsformen zählt. Dahinter steht die Idee, dass der Mensch nicht an die modernen Ernährungsweisen angepasst ist und sich so weit wie möglich zurückbesinnen soll auf die Ernährungsweise seiner frühzeitlichen Vorfahren. Erfinder der Primal Diet ist Aajonus Vonderplanitz.
Nach der Primal Diet-Lehre ist eine rohköstliche, nicht-vegetarische Ernährungsweise mit wenig Kohlenhydraten optimal für den menschlichen Organismus. Auf den Tisch kommen rohes Fleisch, Rohmilch, Rohmilchprodukte und frisch gepresste Gemüsesäfte.
Natürliche Gesundheitslehre (Natural Hygiene)
Der bekannteste Vertreter der Natural-Hygiene-Bewegung war der US-Amerikaner Herbert M. Shelton. Häufig wird diese Lehre ihm allein zugeschrieben, tatsächlich aber ist die natürliche Gesundheitslehre aus einer Ärztebewegung entstanden.
Um 1822 taten sich einige Mediziner zusammen, die der Behandlung mit Medikamenten kritisch gegenüberstanden und darin keinen gesundheitlichen Nutzen für die Menschen mehr sahen.
Die Grundidee der Natürlichen Gesundheitslehre ist, dass der Mensch ein körperlich, geistig und seelisch gesundes Leben führen kann. Dafür muss er sich an den Nahrungsgewohnheiten seiner Vorfahren orientieren, liebevolle soziale Beziehungen pflegen, einen zufriedenstellenden Beruf ausüben, einen ausgeglichenen Wechsel von Wachen und Schlafen einhalten sowie Sauberkeit und genügend Sonnenschein, reines Wasser und frische Luft in sein Leben integrieren.
Shelton empfiehlt eine reine Pflanzenkost, andere Hygieniker auch tierische Lebensmittel, die hauptsächlich roh verzehrt werden. Die Natural Hygiene-Bewegung bietet drei Ernährungsrichtungen an, da nicht bekannt ist, wie genau sich unsere frühen Vorfahren ernährt haben:
- Paläolithische oder Steinzeit-Diät: Hauptsächlich werden tierische Lebensmittel (nur teilweise roh), Salate und grüne Säfte verzehrt. Früchte gibt es maximal einmal pro Tag.
- Instinktive Ernährung: Hier kommen vorwiegend pflanzliche Lebensmittel auf den Tisch. Tierische Lebensmittel gibt es maximal einmal pro Tag und dann hauptsächlich roh. Die Nahrung wird instinktiv ausgewählt.
- Ovo-lacto-vegetarische Ernährung: Bei dieser Variante werden tierische Lebensmittel in Form von Milch und Eiern verzehrt. Der Großteil der Nahrung besteht jedoch aus pflanzlicher Rohkost.
Zu den Begründern der Natural Hygiene-Bewegung zählen neben Herbert M. Shelton auch Prof. Arnold Ehret, Dr. Norman. W. Walker, Dr. Paul C. Bragg und Dr. John H. Tilden. In den 80er Jahren brachte Helmut Wandmaker, der Begründer der Sonnenkost, die Ideen der Natural Hygiene nach Deutschland. Auch Franz Konz ließ die Gedanken der Natürlichen Gesundheitslehre in seine Urkost einfließen.
Fit for life nach Harvey und Marilyn Diamond
Fit for Life ist der Name einer Ernährungsschule, die 1985 im gleichnamigen Buch von Harvey und Marilyn Diamond veröffentlicht wurde. Es handelt sich um eine Trennkost auf Rohkost-Basis, die auf die Theorien der US-amerikanischen Natural-Hygiene-Bewegung des 19. Jahrhunderts zurückgeht.
Bei dem Fit for Life-Modell werden 70% des Nahrungsbedarfs über Obst, Gemüse und Salate gedeckt. Die restlichen 30% setzen sich aus Brot, Getreide und Fleisch zusammen. Fleisch ist also nicht generell tabu, sollte aber nur sehr selten auf dem Teller landen. Als Getränk gibt es destilliertes Wasser sowie frisch gepressten Frucht- und Gemüsesaft.
Das Fit for Life-Prinzip teilt den Ernährungszyklus in drei Phasen: Von 4 bis 12 Uhr ist der Körper mit Ausscheidungsarbeiten beschäftigt. Von 12 bis 20 Uhr findet die Nahrungsaufnahme statt und von 20 bis 4 Uhr verdaut und verwertet der Körper.
Obst soll nach der Fit for Life-Lehre unbedingt auf leeren Magen gegessen und nicht mit anderen Lebensmitteln kombiniert werden. Die erste Mahlzeit des Tages besteht daher aus Früchten und frisch gepressten Säften. Zum Mittagessen gibt es Salate und Gemüse. Abends sind Fleisch, Kartoffeln und Gemüse erlaubt.
Bircher-Benner-Kost nach Dr. Maximilian Oskar Bircher-Benner
Haferflocken, ein geriebener Apfel, Zitronensaft, gesüßte Kondensmilch und geriebene Nüsse: Das ist das original Bircher-Müsli des Schweizer Arztes Dr. Maximilian Oskar Bircher-Benner. Dieses Müsli, das heute in vielen Variationen auf den Tisch kommt, ist Teil einer vollwertigen vegetarischen Ernährung mit hohem Rohkostanteil. Sie umfasst neben rohem Gemüse, Obst und Salat auch schonend gegartes Getreide und Gemüse sowie den maßvollen Genuss von Milch, Butter Käse und Eiern.
Nach Bircher-Benner kommt den Pflanzen eine besondere, ernährungsphysiologische Bedeutung zu, da sie ihre Energie aus dem Sonnenlicht gewinnen. Die „Sonnenlichtnahrung“, die vornehmlich aus Frischkost und Rohkost besteht, hat laut Bircher-Benner für die Gesundheit des Menschen einen überragenden Wert.
Die Bircher-Benner-Lehre ist ein ganzheitliches Konzept. Neben einer gesunden Ernährung bezieht sie auch andere Faktoren ein, die Einfluss auf die Lebensqualität haben. Dazu zählen ein ausgeglichener Wach-Schlaf-Rhythmus, ein harmonisches Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit, eine durchdachte und aktiv gestaltete Lebensführung, erhebende soziale Kontakte sowie viel Bewegung an der frischen Luft.
Gekochte, stark verarbeitete und konservierte Nahrungsmittel, Zucker, Auszugsmehle sowie Fleisch und Wurstwaren sind in der Bircher-Benner-Kost nicht gestattet. Erlaubte Getränke sind Wasser, frisch gepresste Säfte sowie Kräutertees.
Vitalstoffreiche Vollwertkost nach Dr. Max Otto Bruker
Das Modell der vitalstoffreichen Vollwertkost resultiert aus den Ernährungsempfehlungen des deutschen Arztes Dr. Max Otto Bruker. Die Vollwertkost fußt auf dem Prinzip, Lebensmittel möglichst in ihrer natürlichen Form zu konsumieren. Zur Vollwertkost-Ernährung gehören Getreide, Vollkornbrot, rohes Obst und Gemüse sowie naturbelassene Fette – auch Butter und Sahne. Eine besondere Rolle spielt der Frischkornbrei.
Die vitalstoffreiche Vollwertkost nach Bruker geht in erster Linie auf die Lehren des Schweizer Arztes Maximilian Bircher-Benner und Werner Kollath zurück. Alle drei befassten sich mit dem Zusammenhang zwischen der Ernährung und den sogenannten Zivilisationskrankheiten.
Die Schule der vitalstoffreichen Vollwertkost empfindet ihre Ernährungsweise aufgrund ihrer Ursprünglichkeit als ideal für den menschlichen Organismus. Vollwertige und weitgehend naturbelassene Lebensmittel stehen im Zentrum dieser Lehre. Auf Fleischprodukte, Eier und Fisch sollte möglichst verzichtet werden. Fruchtsäfte werden abgelehnt, da wertvolle biologische Inhaltsstoffe im Trester zurückbleiben.
Gießener Konzeption der Vollwerternährung
Die Gießener Konzeption der Vollwerternährung hat ihre Ursprünge in den 1980er Jahren. Entwickelt wurde sie von drei Ernährungswissenschaftlern der Universität Gießen: Dr. Karl von Koerber, Prof. Claus Leitzmann und Thomas Männle.
Diese Herren definieren ihre Vollwerternährung als vorwiegend pflanzlich (lacto-vegetabil). Obst und Gemüse, Vollkornprodukte, Kartoffeln und Hülsenfrüchte sowie Milch sowie Milchprodukte werden gering verarbeitet und zu leckeren, leicht verdaulichen Mahlzeiten zubereitet. Auch Fleisch, Fisch und Eier dürfen in geringen Mengen verzehrt werden. Etwa die Hälfte der Nahrungsmenge sollte aus frischer Rohkost bestehen.
Neben einer gesunden und abwechslungsreichen Ernährung spielen bei der Gießener Konzeption der Vollwerternährung auch Nachhaltigkeits-Faktoren eine Rolle. Lebensmittel sollten aus ökologischer Landwirtschaft stammen. Zudem werden regionale und saisonale Produkte bevorzugt, es wird auf die Umweltverträglichkeit der Verpackungen sowie die Unterstützung des Fairen Handels geachtet.
Die vollwertige Ernährung nach der Gießener Konzeption hat nicht nur die Erhöhung der eigenen Lebensqualität zum Ziel. Vielmehr handelt es sich um ein ganzheitliches Konzept, das zusätzlich den schonenden Umgang mit der Umwelt, soziale Gerechtigkeit sowie faire wirtschaftlich Beziehungen umfasst.
Die aufgeführten Ernährungskonzepte haben wir zu Informationszwecken zusammengetragen. Sie dienen der umfangreichen Darstellung verschiedener Sichtweisen, spiegeln aber nicht die Meinung von Keimling Naturkost wider.
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